Wenn ihr die Überschrift „Horror Elternabend“ gelesen habt, denkt ihr vielleicht, hier kommt jetzt eine Abrechnung mit Schule und unfähigen Lehrern. Nein! Das Gegenteil ist der Fall. Ich berichte heute mal aus Sicht der Lehrerin, für die das Ganze auch kein Zuckerschlecken ist, glaubt mir. Horror ist jetzt etwas übertrieben, aber ich muss zugeben, dass Elternabende nicht zu meinen Lieblingsaufgaben gehören. Warum, möchte ich euch gerne mal erläutern. Dabei muss gesagt sein, dass die Eltern bei uns an der Schule bisher immer sehr nett waren und ich mich im Großen und Ganzen nicht beschweren kann. Aber es gibt eben doch so seine Gründe, warum ich meinen Abend lieber anders verbringe.
Wenn man Klassenlehrerin wird, was mit einem Hauptfach immer so ist, dann weiß man, dass man relativ gleich am Anfang einen Elternabend ausrichten muss. Für die neuen Klassen ist dieser bei uns zeitgleich, wir dürfen uns den Termin also leider nicht mal aussuchen. Ich kläre dann mit meinem Mann ab, dass er rechtzeitig nach Hause kommt und meistens starten wir um 19:30 Uhr. Der erste Elternabend ist sehr anstrengend für die Lehrkraft. Ich schreibe mir immer eine Liste, damit ich auch ja nichts vergesse.
Im Gymnasium geht es erstmal darum, dass die Eltern einen kennen lernen, dass man erzählt, was bei uns anders ist als auf der Grundschule, dass ich Formalitäten kläre, berichte, wohin die Klassenfahrt gehen wird und über mein Fach erzähle. Und dann, besonders wichtig, wird der Elternbeirat gewählt.
Ich bin immer sehr nervös vor solchen Elternabenden. Immerhin sitzen da 30-50 Erwachsene, die ich alle nicht kenne und die ungeheuer hohe Erwartungen an mich haben. Sie möchten ihre Kinder in guten Händen wissen. Sie möchten, dass ihr Kind möglichst gut gefördert wird. Sie erwarten, dass ich bei Problemen ansprechbar bin.
Ich bin mittlerweile sehr geübt darin, immerhin bin ich seit 10 Jahren Lehrerin. Ich hatte schon viele Elternabende und man wird minimal lockerer. Was man leider nie vorhersehen kann, sind Fragen oder Aussagen der Eltern, die einen aus dem Konzept bringen. Ich bringe mal ein paar Beispiele.
– Sie sehen aber sehr jung aus.
Ja, vielen Dank, ich nehme das mal als Kompliment. Hat jetzt aber nicht so viel mit meiner Arbeit zu tun, oder?
– Fördert das aber nicht den Konkurrenzgedanken zwischen den Kindern?
Es ging hier um ein kleines Mathespiel. Also ehrlich, unser Schulsystem beruht nur auf Vergleichen und Bewerten. Das muss man nicht gut finden, aber so ist es nun mal.
– Leidet meine Tochter nicht darunter, dass die Klasse so schlecht in Deutsch ist?
Ähm. Hust. Was soll man da jetzt bitte vor den anderen Eltern sagen? Ja, ihre Tochter ist viel besser als alle anderen? Sowas bitte NACH dem Elternabend klären. In einem persönlichen Gespräch.
– Ich würde gerne vor oder nach dem Elternabend noch ein Gespräch mit Ihnen über meinen Sohn führen.
Wir können gerne jederzeit einen Gesprächstermin ausmachen, aber doch bitte nicht auch noch an diesem Abend. Ich bin froh, wenn ich es pünktlich hin schaffe und nachher todmüde in mein Bett falle.
– Ich verstehe nicht, warum ich meinem Kind nicht bei den Hausaufgaben helfen darf.
Weil die Kinder im Gymnasium lernen sollen, eigenständig zu arbeiten. Irgendwann muss auch mal gut sein.
– Wir sollten unseren Kindern die WhatsApp-Gruppe verbieten.
Das ist jetzt echt kein Thema eines Elternabends. Das soll jeder selbst für sein Kind entscheiden. Ich bin für solche doch eher private Themen nicht der richtige Ansprechpartner.
– Mobbing!
Wenn ich dieses Wort schon höre. Leider ist bei vielen Eltern heutzutage alles Mobbing, was früher mal ärgern hieß. Da wird gleich maßlos übertrieben und die Kinder haben null Chance, ihre Probleme vielleicht auch mal alleine zu lösen.
– Die Klassenfahrt ist aber ganz schön teuer.
Es ist keine Pflicht mitzufahren und wir bieten Unterstützung an, für die, die es wirklich nötig haben.
– Die Homepage ist aber auch nicht so aktuell.
Wir sind eine Schule. Kein Unternehmen. Bei uns macht ein Lehrer nebenbei noch die Internetpräsenz. Diese wird täglich aktualisiert. Das muss reichen.
– Die Schule fängt zu früh an.
Da kann ich leider nichts ändern. Bitte wenden Sie sich an die Schulleitung.
– Der Lehrer XY macht zu schwere Arbeiten.
Und ihr wisst alle, welches der unangenehmste Punkt der Liste ist, oder? Wer möchte gerne Elternbeirat werden? Was macht man als Lehrkraft, wenn sich keiner meldet? Was macht man dann? Wir sind verpflichtet, zwei Elternbeiräte wählen zu lassen. Ich hatte die Situation einmal. Keiner hat sich melden wollen. Ich habe dann erklärt, dass es bei uns gar nicht viel Arbeit ist und netterweise haben sich dann doch zwei aufstellen lassen. Puh. Ansonsten hätten wir da sehr sehr lange gesessen.
Das vermeide ich auf Elternabenden übrigens:
– Kennenlernspielchen
Dafür sind wir doch alle ein bisschen zu alt. Am Ende ist es doch auch nur wichtig, dass die Schüler sich untereinander kennen.
– Meine Telefonnummer rausgeben.
Ich bin rund um die Uhr per Mail erreichbar und rufe in dringenden Fällen auch zurück. Eltern haben leider kein Feingefühl dafür, wann man jemanden privat zu Hause anrufen sollte.
Wenn man Glück hat, hat man zufriedene Eltern und ein Elternabend im Halbjahr reicht. Wenn man Pech hat, wollen die Elternbeiräte oder auch andere Lehrer noch mehr. Dann muss man da hin, ob man will oder nicht.
Es gibt übrigens etwas, das noch schlimmer als ein Elternabend ist. Der Elternsprechtag. Aber darüber schreibe ich ein anderes mal.