Ein heikles Thema. Darf ich offen zugeben, dass mein Kind schon mit 2 an einem iPad gesessen hat? Dass er Handyspiele machen darf, wenn wir im Restaurant in Ruhe essen möchten? Dass er genau weiß, wo das iPad ist, wie man es startet und die Lautstärke verändert? Ich denke schon. Das ist heutzutage nämlich nichts Ungewöhnliches mehr. Unsere Kinder wachsen mit Medien auf, ob wir das fördern oder nicht, sie werden damit in Kontakt kommen. Gedanken darüber habe ich mir schon viele gemacht. Entweder wenn es um meinen eigenen Sohn geht oder um die Schüler, deren Lern- und Sozialverhalten sich immer mehr verändert. „Wer kann Max sagen, was er für den Ausflug mitbringen muss?“ „Ich schreib’s in den Klassenchat!“ So läuft das. An unserer Schule sind Handys bis zur Oberstufe verboten. Ich finde das gut, weil die Kleinen in der Pause teilweise nur noch vor den Handys gesessen und gespielt haben. Auf Klassenausflügen wurde sich nicht mehr unterhalten, es wurde aufs Handy gestarrt. Ob das die richtige Entscheidung war, kann ich nicht wirklich beurteilen, heimlich machen sie es ja trotzdem noch.
Als die Anfrage kam, ob ich das Buch „Digitale Hysterie„* von Georg Milzner (Beltz-Verlag) lesen möchte, habe ich sofort zugesagt. Endlich mal jemand, der nicht alles schlecht macht, was mit Computern zu tun hat. Ich möchte euch einen kurzen Einblick in sein Buch geben und dann könnt ihr bei Interesse gerne mal reinlesen. Ich fand das Buch sehr gut geschrieben und die vielen praktischen Beispiele helfen, unsere Kinder und das Phänomen der digitalen Hysterie besser zu verstehen.
Machen Computer uns dümmer?
Eine weitverbreitete Meinung ist, dass unsere Kinder in der Schule schlechtere Noten bekommen, weil sie zu viel am PC hängen. Falsch sagt Milzner. Keine Studie hat dies jemals nachgewiesen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Zeit am Computer und den Schulnoten. Schließen wir mal Schüler aus, die wirklich nur noch vor dem Bildschirm sitzen und überhaupt nichts anderes mehr machen. Unter normalen Umständen können Schüler mit Computerspielen sogar noch etwas lernen. Oder sie machen es einfach, weil es Spaß macht. Eben wie malen, ein Buch lesen, Sport treiben, … Dabei ist es nicht zwingend schlecht.
Wie gefährlich sind Computerspiele?
Gar nicht, wenn man sich an die Altersbeschränkung hält. Zusammenhänge zwischen Gewaltspielen und z.B. Amokläufen wurden hergestellt, machen aber wenig Sinn, da unterdrückte Gewalt noch schlimmer sein kann. Und nicht jeder, der ein Ballerspiel spielt, wird zum Mörder. Interessant war die Nennung von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“, nach dem sich viele Leser umgebracht haben. Deshalb wurde das Buch aber nicht verboten. Im Gegenteil, Schüler lesen es heute im Unterricht. Wer sich oder andere schädigen möchte, ist bereits über einen längeren Zeitraum unglücklich und nicht erst durch ein Buch oder ein Spiel.
Computersucht oder Leidenschaft?
Da schlagen jetzt einige Eltern die Hände über dem Kopf zusammen und denken sich, ob sie ihren Sohn, der 10 Stunden am Tag vor dem PC hängt, jetzt beglückwünschen sollen. Nein, das sollen sie nicht. Sie sollen zuerst herausfinden, ob hier eine Sucht oder eine Leidenschaft vorliegt. Das ist schwierig zu unterscheiden. Aber von einer Leidenschaft kann man ablassen, bei einer Sucht ist es schwieriger. Milzner schlägt vor, dass Eltern einfach mal selbst Computerspiele ausprobieren sollten. Da stimme ich voll und ganz zu. Ich bin mit Computern groß geworden. Mein Bruder hatte immer die neuesten Spiele von Nintendo. Ich war leidenschaftliche Spielerin von Zelda, Sims und Age of Empires. Da kann es auch mal vorgekommen sein, dass ich tagelang nur vor dem Computer gesessen habe. Weil es mir unheimlichen Spaß gemacht hat. Wenn man das Spiel durchgespielt hat, dann beschäftigt sich man eben wieder mit anderen Sachen. Das ist Leidenschaft, die doch nicht verkehrt sein kann. Ich bin deshalb ja nicht verblödet, denke ich.
Das Computerproblem als Beziehungsproblem
Oft wird der Computer als Ausrede benutzt, warum es im Leben eines Pubertierenden gerade nicht gut läuft. In Wirklichkeit gibt es aber Beziehungsprobleme zwischen den Eltern und den Kindern. Das Verständnis fehlt. Wenn wir früher stundenlang mit unserer Freundin telefoniert haben, chatten die Kids heute. Eigentlich nicht wirklich schlimmer, oder? Wir Eltern müssen das nur verstehen, uns in die Kinder hineinversetzen. Solange diese nicht selber sehen, dass sie zu viel Zeit am Bildschirm verbringen, macht es auch wenig Sinn, zu intervenieren. Wenn es um Schlafenszeiten geht, müssen die Kinder allerdings einsichtig sein. Hier geht es um das Wohl des Kindes und sollte tatsächlich eine Sucht vorliegen, sollte man lieber einen Psychologen aufsuchen.
Wie gefährlich sind Facebook und Co?
Nicht so ungefährlich wie man denkt. Interessant ist, dass Jugendliche wissen, dass ihnen z.B. Facebook auf die Laune schlägt (wissenschaftlich nachgewiesen), sie es aber trotzdem immer wieder aufsuchen. Und dann verbringen sie damit mehr Zeit als sie eigentlich wollen. Das Phänomen kenne ich persönlich auch. Beispielsweise Snapchat. Die App bietet eigentlich keinen Mehrwert für mich, keine netten DIY-Ideen, keine Rezepte, keine Gewinnspiele, keine Berichte, nur langweiliger Alltag. Wenn ich denke, ich schaue mal kurz, was die anderen so treiben, hänge ich schnell eine Stunde dran ohne es gewollt zu haben. Eben nur mal kurz schauen. Und dann ärgere ich mich, dass ich stattdessen nicht gelesen habe oder geschlafen.
Dass Facebook-Freunde keine echten Freunde sind, weiß jeder. Trotzdem ist es für Schüler so wichtig, möglichst viele Kontakte zu besitzen. Bei Twitter, bei Instagram, bei Snapchat, … Die Social Media-Kanäle sprießen aus dem Boden und stehlen uns unsere Zeit. Wenn es Spaß macht, dann ist das ok, wenn nicht, dann wird daraus eine Sucht.
Und dann ist da noch das Thema Mobbing. Eltern müssen aufpassen, dass sie nicht jeden Streit gleich als Mobbing bezeichnen. Das ist mir in der Schule schon oft passiert. Statt Lästern über Telefon oder persönlich, so haben wir das früher gemacht, läuft jetzt halt alles über Chats und andere Plattformen. Das ist nicht weiter bedenklich, solange es sich in Maßen hält und die Kinder es schaffen, sich untereinander zu einigen. Bei schwierigeren Fällen empfehle ich Screenshots zu machen und mit den Betroffenen selbst zu reden. Wenn das nichts hilft, kann man notfalls auch klagen. Aber das ist ein anderes Thema.
Schlussfolgerung
Wichtiger, als unseren Kindern den Umgang mit Medien zu verbieten ist, sie zu verstehen. Statt einer Zeitbeschränkung von z.B. einer Stunde, ist es sinnvoller Ziele innerhalb des Spieles zu setzen. „Du darfst spielen bis du das Level fertig hast, bis du aufgestiegen bist, bis du …“. Am besten setzt man das Ziel zusammen mit dem Kind. Wenn mir damals einfach einer das Spiel ausgemacht hätte, weil die Zeit um ist, hätte ich auch die Krise gekriegt. Das gibt keinen Sinn und man kann nunmal nicht an allen Stellen im Spiel speichern.
Statt unsere Kinder alleine vor Medien zu setzen, sollten wir gerade bei kleineren Kindern zuschauen und mitmachen. So können wir kontrollieren, was gespielt wird, wie das Kind auf das Spiel reagiert und wir können mit ihm kommunizieren.
Ich muss sagen, Finn durfte seit er Interesse gezeigt hat, so mit 2, auch mal das iPad nutzen. Immer nur kurz und mit mir zusammen und nur Spiele, bei denen er was lernt. Das funktioniert bis heute gut. Es gibt sehr viele Tage, an denen er nicht den Wunsch äußert, Medien zu nutzen. Und dann, wenn es draußen regnet und er mal müde ist, fragt er, ob er das iPad holen darf. Warum nicht? Ich bin ja auch ständig am PC. Das bringt das Bloggen und meine Arbeit so mit sich. Da kann ich es ihm ja nicht wirklich verbieten. Er spielt dann eine Weile und dann lenke ich ihn mit was anderem ab und schwupp wird das iPad weggepackt. Wenn ich es ihm verbieten würde, dann wäre der Reiz viel größer.
So. Jetzt dürft ihr euren Senf dazu geben. Habt ihr Probleme mit zu viel Mediennutzung zu Hause? Wie geht ihr damit um?
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